Sonntag, 4. August 2013



"Fußball" in Ghana
Fußball ist in Ghana noch unumstrittene Sportart Nummer 1 wie in Deutschland. Umgangssprachlich wird hier gar nicht vom Fußballspiel, sondern nur vom Ballspiel gesprochen. Trotzdem ist auch beim Fußball ein großer Unterschied zwischen Ghana und Deutschland auszumachen. Ich bin in Deutschland seit dem 6.Lebensjahr in einem Fußballverein aktiv gewesen. Ein Fußballverein steht den Kindern in Nalerigu nicht zur Verfügung, Fußball ist hier in die Schulen integriert. Jede Pause wird fleißig gekickt. Dafür hat jede Schule ein eigenes Fußballfeld.
Auch ich habe mich eines Tages in der langen großen Pause versucht und dabei auf dem kleinen Holperfeld meiner Miracle-Brain-Schule gar nicht so schlecht abgeschnitten. 

Der Platz befindet sich nicht nur in leichter Hanglage, er ist auch von ca. 50 cm hohen Bodenwellen durchzogen. Es ist also nicht einfach, hier zu spielen. Als mich Israel,  der fußballbegeisterte Sohn des Pastors, spielen sah, wollte er mich mit in sein Training nehmen. Schnell wird im Dorf für umgerechnet nicht einmal 2,50 EUR ein Paar, hier übliche, robuste Vollplastik-Fußballschuhe gekauft. Andere Fußballschuhe, wie wir sie kennen, würden vom Sand der Fußballplätze sehr schnell kaputt geschliffen. Zum Glück findet das Training nicht auf dem Platz der Miracle-Brain-Schule, sondern auf dem einer anderen Schule statt. Dass hier dasselbe Wort "Training" benutzt wird wie in Deutschland finde ich etwas unpassend. Es gibt keinen Trainer und keine Trainingsgeräte wie die bei uns bekannten "Hütchen" oder "Leibchen". Zu Beginn werden zwei Mannschaften eingeteilt.
Eine Mannschaft spielt, damit jeder seinen Mitspieler erkennt, mit nacktem Oberkörper. Weil die Sonne auch abends um 17:30Uhr noch heftig brennt, wechsle ich mit meiner hellen Haut lieber in die Mannschaft, die mit T-Shirt spielt. Der Platz ist etwas größer, dafür aber nicht mit Gras überzogen, sodass hier auf dem harten Boden, der mit einer dünnen Schicht Sand und einigen kleinen Steinen überzogen ist, gespielt wird. In den Ecken des Platzes, die hier nur selten zum Spielen benutzt werden, wächst etwas ungemähtes Gras. Das Trainingsspiel ist mangels taktischer Grundlagen sehr zerfahren. Der Ballbesitz wechselt schnell, beide Mannschaften versuchen mit hohen weiten Bällen Gefahr zu erzeugen, die vor allem entsteht, wenn der Ball unerwartet in eine der Senken des Platzes gerät, im Sand stecken bleibt, oder vom Verteidiger nicht richtig kontrolliert werden kann. Glück spielt eine noch wichtigere Rolle als in Deutschland. Im Training gelingt mir nach einem flachen Pass meines Mitspielers, den der gegnerische Verteidiger nicht richtig abfängt, ein Treffer. Meine Mitspieler grinsen: „Sominga scored“.

Zwei Tage später findet ein Fußballspiel der Miracle-Brain gegen die Baptist School statt, die besten Lehrer und Schüler der Schulen messen sich auf neutralem Platz. Das event sorgt schon im Vorfeld für viel Gesprächsstoff, denn während Israel, als Schüler der Miracle Brain School für unser Team aufläuft, spielt sein großer Bruder Jeremiah, als Lehrer der Baptist School, für unsere Gegner. Die Stimmung unter den rund 500 Schülern unserer Schule kocht schon, als wir mit unseren ausgebleichten MIRACLE Trikots die Umkleidekabine, die sonst Computerraum ist, verlassen. Kurzes ungeordnetes Aufwärmprogramm, dann zieht die Schule los, um auf demselben großen Sandplatz zu spielen, auf dem zwei Tage zuvor das Training stattfand. Vor soviel Publikum habe ich auch in Deutschland selten gespielt, die Stimmung ist erstaunlich fröhlich, obwohl das Spiel insgesamt wenig Ansehnliches bietet. Viele Leute auch von außerhalb der beiden Schulen sehen zu. Ich werde wegen meiner Hautfarbe sofort zum Gesprächsthema. Die Fangesänge sind für mich eher unbekannnt. "Hallelujah" oder "Jesus" tönt es immer wieder von den Schülern, die ihre Kirchenlieder anzustimmen scheinen. Ich spiele heute mal rechtes Mittelfeld. Kurz nach dem Anstoß fällt mir zu meinem Erstaunen auf, dass mein Gegenspieler barfuß spielt, also nicht einmal die für mich so billigen Fußballschuhe hat. Aus Rücksicht greife ich ihn nur vorsichtig an. Nach einigen Minuten kommt dann mein großer Moment. Nach einer hohen Flanke rutscht der Ball meinem Mitspieler über den Schlappen und gelangt mir zufällig einschussbereit vor den Fuß. Ein einigermaßen platzierter, halbhoher Innenristschuss reicht, um den Ball an dem für deutsche Verhältnisse kleinen Torhüter vorbei, durch die verrosteten Stahlrohre zu schießen. Sominga scored - 1:0. Alles stürmt auf mich los um mich zu umarmen, zunächst meine Mitspieler, dann auch die 500 Schüler. Es ist ein unbeschreiblicher Moment. Doch Jeremiah und die Baptist School geben nicht so schnell auf. "Now I have to score two goals"  grinst er. Und in der Tat, noch vor der Pause gelingen der Baptist School, der Ausgleichs- und der Führungstreffer. Weil diese Schule bereits Ferien hat, sind nicht so viele Schüler anwesend, sodass die Tore - anders als meines - nicht zu einem Großereignis werden. In der Halbzeit suche ich, von der Sonne und dem sandigen Untergrund bereits ziemlich entkräftet, Schatten unter einem der Bäume. Meinen Mitspielern scheint es ähnlich zu gehen. Die zweite Halbzeit entwickelt sich für uns mit fortlaufender Spielzeit zum Desaster. 3:1, 4:1, ein ausgesprochen schöner Treffer, und am Ende schließlich 5:1. An der Kondition sollte noch gearbeitet werden. Ich wurde leider etwas in Mitleidenschaft gezogen, denn die Schuhe und der Ball haben keinerlei Polsterung, sodass meine Füße an den Ballen schmerzen und an der Ferse etwas aufgerissen sind.
Das Spiel hat aber trotz des schlechten Ergebnisses viel Spaß gemacht und lässt auf weitere lustige bevorstehende Spiele gegen andere Schulen hoffen. Fußball in Ghana hat zwar die gleichen Regeln, ist aber verglichen mit Deutschland, ein ganz anderer Sport.