Montag, 30. Dezember 2013

Fremde Weihnachtsfeierlichkeiten


Dass Weihnachten hier ein bisschen anders sein wird als in Deutschland, hatte ich mir schon im Sommer denken können. Ich war gespannt, was sich hier abspielen würde. So wie es dann tatsächlich war, hätte ich es mir niemals vorstellen können.
Der Reihe nach: zunächst musste ich Gastmutter Baby erklären, was Advent ist und wie er bei uns gefeiert wird. Weil viele Häuser von Nalerigu nicht an das Stromnetz angeschlossen sind und andere auf Stromausfälle vorbereitet sein wollen, ist es ein Leichtes, in einem der vielen kleinen Läden für umgerechnet weniger als 70 Cent vier Kerzen zu besorgen. Mangels Tannenzweigen, Draht und Dekoration gelingt es mir allerdings nicht, einen Adventskranz herzustellen. Thomas hat mir aber bei seiner Rückkehr aus Deutschland einen Adventskalender mitgebracht. So durfte ich nun meinen Gastgeschwistern Kate und Bernice beispielsweise erklären, was man mit dem Nussknacker hinter Türchen 1 oder dem Schlitten hinter Türchen 9 eigentlich anfängt. Hier gibt es weder Walnüsse noch Schnee...
Wie das Weihnachtsglöckchen zuhause wird die Pausenglocke der Miracle Brain von Hand geläutet
ventslieder gibt es auch nicht. Die überwiegend amerikanischen oder aus dem Deutschen übersetzten Weihnachtslieder werden schon in der Adventszeit abgespielt, selbst der Christbaum wird schon Mitte Dezember aufgestellt. Ihr habt richtig gelesen: wir haben tatsächlich einen Weihnachtsbaum. Eine amerikanische Missionarsfamilie hat vor einigen Jahren ein Plastikexemplar meiner Gastfamilie geschenkt, das jetzt mit amerikanischen Lichterketten geschmückt alle Jahre wieder vor sich hin blinkt. Weil es auch hier Tradition ist die Spitze mit einem besonders großen Stern zu schmücken, der alte Stern aber zerbrochen war, durfte ich mit Hilfe einer einfachen Internet-Bastelanleitung (etwas in Eile) einen neue Pappstern anfertigen. Irgendwie verbreitet der Baum eine ganz andere Stimmung als der mir bekannte, frisch geschlagene und mit Wachskerzen und Strohsternen geschmückte Christbaum, den ich bisher in unserem Wohnzimmer gewohnt war.
Vor der Metzgerei wartet fast immer ein Ochse auf die Schlachtung
Obwohl ich in der Katholischen Kirche am dritten Advent tatsächlich eine Weihnachtspredigt zu hören bekomme, war die Adventsstimmung insgesamt anders. Ich gestehe ein, ich habe mich auf die Ankunft meines Vaters - den ich mehr als fünf Monate nicht gesehen hatte - am 26. Dezember fast genau so sehr gefreut wie auf die Ankunft Christi. Doch die sich im Advent anbahnende Weihnachtsfeier sollte eine ganz andere Wendung nehmen.
und Esel werden überall gebraucht, um Wasser o.Ä. zu transportieren
An dem Morgen, an dem das 19. Türchen des Adventskalenders geöffnet werden sollte und der gleichzeitig der letzte Schultag war, erwachte ich mit 39,5°C Fieber und starken Schmerzen am ganzen Körper aus dem Schlaf: auf dem schnellsten Weg zum Arzt! Auch wenn im Labor in meinem Blut keine Parasiten ausfindig gemacht werden können, lautete die Diagnose Malaria. Zu meinem Glück verläuft die Krankheit, ohne Komplikationen, weswegen ich bereits am 23. Dezember das Bett für mehrere Stunden verlassen kann. Bei alter Stärke bin ich trotzdem nicht. Als für Weihnachten einige unserer Guinea-Fowls geschlachtet werden müssen, entwischt mir eines der wilden Tiere. Thomas - als Vegetarier - freut sich über mein Missgeschick. Mir ist es sehr peinlich. Doch am Abend kann der Vogel wieder eingefangen und und seinem Schicksal überantwortet werden.
Ein winziges Loch im Dach des Hühnerstalls: der Stern von Bethlehem
Am Morgen des 24. Dezembers fühle ich mich noch immer sehr schwach und stehe erst gar nicht auf. Der Arzt muss wieder angerufen werden. Er macht sich wegen des für ihn etwas zu langsamen Heilungsfortschrittes etwas zu große Sorgen, und möchte mich in seinem Haus beobachten. Heilig Abend in einem der amerikanischen Arzthäuser, damit hätte selbst ich nicht gerechnet, doch das Schicksaal hat es nicht anders gewollt. Aber es ist eine gute Gelegenheit, mich mit den Amerikanern auszutauschen, und auch sie interessieren sich für meine vielen Erlebnisse in Nalerigu. Schließlich bin ich mittlerweile länger hier als jeder von ihnen. Wir bekommen ein gutes Abendessen, das große Weihnachtsessen wird für den 25. angekündigt. Wir hören Orchestermusik und versuchen ein unglaublich schwieriges Puzzle zu lösen. Was kombiniert mit dem kleinen Plastikweihnachtsbaum, der auch hier im Arzthaus aufgestellt ist, eine meditative und angenehme Stimmung ergibt. Als die anderen gegen 22Uhr einen Gottesdienst besuchen, das Puzzle aber noch immer kein Bild zeigt, gehe ich schlafen. Ich fühlte mich, was wohl den starken Medikamenten geschuldet ist, unglaublich schwach. Nachdem ich an Weihnachten zum ersten Mal seit sechs Monaten wieder warm duschen durfte, war ich mir am Weihnachtsnachmittag ganz sicher, dass ich meine Krankheit überwunden habe.
Babys gibt es überall
Ich beschließe also am 25. zu meiner Gastfamilie zurückzukehren, die sich zwar über meine Genesung freut, ihre Weihachtsfeierlichkeiten aber mehr oder weniger abgeschlossen hat. Am Weihnachtsabend muss ich früh zu Bett gehen, denn wegen der Ankunft meines Vaters muss ich schon um vier Uhr morgens nach Tamale reisen.

Meine Mutter erteilte mir in einem Brief, der mir mitgebracht wurde, den Auftrag, weihnachtliche Motive in Nalerigu zu finden und zu fotografieren. Zunächst habe ich das für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten, bei fast konstant über 30°C will einfach keine richtige Weihnachtsstimmung aufkommen. Schließlich habe ich doch einiges gefunden, was ich gerne mit euch teilen möchte. Denn diese Motive vermitteln auch etwas von der Wirklichkeit in Nalerigu.

Freitag, 6. Dezember 2013

Das Feuerfest



Nur wenige Tage nach meinem Besuch beim Najiri findet dann das traditionelle Feuerfest statt. Obwohl die Einheimischen mich warnen, das sei ein gefährliches Spektakel, die Leute schlagen sich mit Fackeln und Macheten, wage ich mich gemeinsam mit Gastmutter Baby auf die Straße und dann zum Palast, auf dessen Vorplatz die Veranstaltung beginnt. Gefeiert wird eine Legende: Ein Königssohn geht verloren. Als er abends immer noch nicht heimkehrt, schwärmen die Diener des Königs aus um ihn zu suchen. Sie finden ihn unter einem Baum sitzend. Der Baum hat den Königssohn gestohlen und wird in einer feierlichen Zeremonie niedergebrannt.

beim Feuerfest
Weil es in der Vergangenheit wohl tatsächlich zu gewaltsamen Übergriffen gekommen ist, trauen sich die meisten Leute an diesem Tag nicht aus dem Haus. Das Fest ist nur noch ein Bruchteil von dem, was es einmal war, meint auch Gastmutter Baby. Auf der Straße sehen wir nicht nur erhöhte Polizeipräsenz, sondern auch viele Kinder, die Strohbündel entzünden und damit lachend durch die Gegend rennen. Am Palast wartet eine größere Menschentraube auf uns. Ich schätze ca. 200 Personen haben sich im Kreis um eine Trommelgruppe versammelt. 

Mit einem Gewehrschuss hat der König persönlich das Fest eröffnet. Nun sitzt er etwas im Hintergrund im Hof des
Feuerfest-Szene vor dem  Palast
Palastes. Immer wieder feuern die Leute mit ihren Gewehren in die Luft. Artisten führen Kunststücke und Tänze mit Feuer auf. Mir wurde erzählt, wer seinen Mut beweisen will, lässt sich eine kugelsichere Weste tragend abschießen. Gesehen habe ich das nicht. Nach einer gewissen Zeit dann löst sich die Versammlung heute völlig friedlich auf. Das Feuerfest richtet sich nach dem Mondkalender und findet das nächste Mal angeblich erst wieder Anfang 2015 statt.