Montag, 7. Oktober 2013

Tierhaltung



Tierhaltung

In Nalerigu bin ich überall von Tieren umgeben, im Dorf, im Feeding-Center, und besonders auch in meiner Gastfamilie. Dort gibt es Schafe, Ziegen, Hühner, Hunde und eine Katze. Während der Regenzeit wurden die Schafe und Ziegen bei der jeweiligen Familie im Garten oder auf dem Feld gehalten. So versucht man zu verhindern, dass die Tiere die vielen Felder, auf denen Pflanzen angebaut werden, verwüsten, indem sie beispielsweise Maisblätter fressen. Wenn man seine Tiere nicht zu Hause einsperrt oder an einem Strick anbindet, läuft man Gefahr, dass das Tier von einem fremden Bauern in dessen Feld erwischt und getötet oder verletzt wird. 

Die auf dem Feld angebundenen Ziegen müssen, wenn es regnet, zum Schutz vor Krankheiten in den Stall gebracht werden. Auch bei dieser Aufgabe habe ich schon des Öfteren geholfen. Einige Tiere scheinen sich vollständig losgerissen zu haben, so dass nachts immer einige Ziegen frei auf der Straße übernachten. Das stört hier keinen. Die Motorräder weichen den Tieren einfach aus. Während der Trockenzeit sind die Felder unbewirtschaftet, so dass die Tiere völlig frei herumlaufen dürfen. Nur nachts, so sagt man, kommen sie wieder zu ihrem Besitzer zurück um zu übernachten. Verglichen mit Deutschland leben die Tiere hier also sehr frei und auf eine sehr natürliche Art und Weise. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass beispielsweise ein schwaches oder verletztes Tier mangels Tierarzt kaum eine Überlebenschance hat.

Neulich, als ich abends in den Garten komme, ruft mich
Gastmutter Baby zu sich und präsentiert mir zwei eben geborene Lämmchen, ein schwarzes und ein weiß geflecktes. Beide wurden geboren, ohne dass wir irgendetwas davon mitbekommen haben. Wir wussten nicht einmal, dass das Schaf trächtig war. Natürlich sind wir sehr glücklich darüber.
Leider stellt sich jedoch schnell heraus, dass die Schafsmutter es ablehnte, das gefleckte Lamm mit Milch zu versorgen. Wir sind etwas ratlos. Schließlich zwingen wir die Mutter, die sich mit aller Gewalt dagegen wehrt, dazu, dem Kleinen Milch zu geben. Stundenlang stellt sich Baby dazu in den Garten. Dann und wann löse ich sie ab. Wir packen die Schafsmutter am Hals und heben eines ihrer Hinterbeine an, so dass sie weder weglaufen noch das hungrige Kleine treten kann.
Nach einigen Tagen wird die Nahrungsversorgung des Kleinen, das ohne Zähne noch keine Blätter fressen kann, durch Kuhmilch erweitert. Leicht erwärmt schlabbert das Kleine, dessen Geschwisterchen schon viel größer und stärker ist, nun auch Kuhmilch.

Wiederum einige Tage später passiert dann das Unglück. Das kleine weiß gefleckte Lamm wird abends von den Gastschwestern Kate und Bernice, die es gerade mit etwas Milch hätten füttern wollen, tot am Wegrand aufgefunden.
Vermutlich konnte es nicht schnell genug weglaufen als ein "Motoking" (dreirädriges Fahrzeug mit kleiner Ladefläche) vorbeigefahren ist. All unsere Mühe um das Tier war also vergebens. Wir mussten das kleine Lamm begraben.

Wenige Tage später dann wieder eine bessere Nachricht aus der Welt der Schafe: ein weiteres hat Nachwuchs zur Welt gebracht. Allerdings hat das Junge nun Durchfall. Mal sehen wie es diesmal weiter geht.

Schafe sind aber nicht die einzigen Tiere, um die man sich hier kümmern muss. Unsere Katze kam neulich auf drei Beinen hereingehinkt. Als wir versucht haben, etwas Salbe auf das verwundete Bein zu geben, ist sie schnell weggerannt. So mussten wir fast zwei Wochen zusehen, wie die Katze auf drei Beinen herumgehopst ist. Inzwischen tritt sie wieder vorsichtig auf. Wir können auch in diesem Fall nur vermuten, was vorgefallen war.
Ein weiterer Patient ist einer unserer acht kleinen
Hundewelpen. Sein linkes Hinterbein ist stark entzündet, er schleppt eine riesige Blase mit sich herum. Wir wissen nicht genau, wie wir ihn behandeln müssen. Vermutlich werden wir versuchen, die Blase mit einer Spritze leer zu saugen, um ihm so den Klotz vom Bein zu nehmen. Bisher wurde seinem Futter ein Antibiotikum, das eigentlich für Menschen gedacht ist, beigemischt (war nicht meine Idee). Hoffentlich macht es die Situation nicht noch schlimmer.

Zu guter Letzt muss noch erwähnt werden, dass die Tierhaltung natürlich nicht wie in Deutschland einfach so zum Spaß oder als Hobby betrieben wird. Sie ist vielmehr die Grundlage der Fleischversorgung. Insgesamt gibt es hier wenig Fleisch. Thomas - als Vegetarier - hat keine Probleme, sich ausreichend mit Nahrung zu versorgen. Er bekommt jeden Abend ein Extra-Essen gekocht, meistens mit Ei statt Fleisch. 
Unsere Waisenkinder bekommen - zumindest von uns - nie Fleisch zu essen, nur etwas Fisch wird dem Essen, mehr als Gewürz, beigemischt. Die Schlachtung der Hühner wird hier üblicherweise nicht vom Metzger, sondern von jedem, der ein Huhn essen möchte, selbst  durchgeführt. Vermutlich muss auch ich nun bald mein erstes Hühnchen mit dem Messer  schlachten. Ich bin gespannt, ob ich das übers Herz bringe.