Tierhaltung
In Nalerigu bin ich überall von
Tieren umgeben, im Dorf, im Feeding-Center, und besonders auch in meiner
Gastfamilie. Dort gibt es Schafe, Ziegen, Hühner, Hunde und eine Katze. Während
der Regenzeit wurden die Schafe und Ziegen bei der jeweiligen Familie
im Garten oder auf dem Feld gehalten. So versucht man zu verhindern, dass die
Tiere die vielen Felder, auf denen Pflanzen angebaut werden, verwüsten,
indem sie beispielsweise Maisblätter fressen. Wenn man seine Tiere nicht zu Hause
einsperrt oder an einem Strick anbindet, läuft man Gefahr, dass das Tier von
einem fremden Bauern in dessen Feld erwischt und getötet oder verletzt wird.
Die auf dem Feld angebundenen
Ziegen müssen, wenn es regnet, zum Schutz vor Krankheiten in den Stall
gebracht werden. Auch bei dieser Aufgabe habe ich schon des Öfteren geholfen.
Einige Tiere scheinen sich vollständig losgerissen zu haben, so dass
nachts immer einige Ziegen frei auf der Straße übernachten. Das stört hier
keinen. Die Motorräder weichen den Tieren einfach aus. Während der
Trockenzeit sind die Felder unbewirtschaftet, so dass die Tiere völlig frei
herumlaufen dürfen. Nur nachts, so sagt man, kommen sie wieder zu ihrem
Besitzer zurück um zu übernachten. Verglichen mit Deutschland leben die Tiere
hier also sehr frei und auf eine sehr natürliche Art und Weise. Das
bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass beispielsweise ein schwaches
oder verletztes Tier mangels Tierarzt kaum eine Überlebenschance hat.
Neulich, als ich abends in den
Garten komme, ruft mich
Gastmutter Baby zu sich und präsentiert mir zwei eben
geborene Lämmchen, ein schwarzes und ein weiß geflecktes. Beide wurden
geboren, ohne dass wir irgendetwas davon mitbekommen haben. Wir wussten nicht
einmal, dass das Schaf trächtig war. Natürlich sind wir sehr glücklich darüber.
Leider stellt sich jedoch schnell
heraus, dass die Schafsmutter es ablehnte, das gefleckte Lamm mit Milch zu
versorgen. Wir sind etwas ratlos. Schließlich zwingen wir die Mutter,
die sich mit aller Gewalt dagegen wehrt, dazu, dem Kleinen Milch zu
geben. Stundenlang stellt sich Baby dazu in den Garten. Dann und wann löse
ich sie ab. Wir packen die Schafsmutter am Hals und heben eines ihrer
Hinterbeine an, so dass sie weder weglaufen noch das hungrige Kleine treten
kann.
Nach einigen Tagen wird die
Nahrungsversorgung des Kleinen, das ohne Zähne noch keine Blätter fressen kann, durch
Kuhmilch erweitert. Leicht erwärmt schlabbert das Kleine, dessen
Geschwisterchen schon viel größer und stärker ist, nun auch Kuhmilch.
Wiederum einige Tage später
passiert dann das Unglück. Das kleine weiß gefleckte Lamm wird abends von den
Gastschwestern Kate und Bernice, die es gerade mit etwas Milch hätten füttern
wollen, tot am Wegrand aufgefunden.
Vermutlich konnte es nicht schnell genug
weglaufen als ein "Motoking" (dreirädriges Fahrzeug mit kleiner
Ladefläche) vorbeigefahren ist. All unsere Mühe um das Tier war also vergebens.
Wir mussten das kleine Lamm begraben.
Wenige Tage später dann
wieder eine bessere Nachricht aus der Welt der Schafe: ein weiteres hat
Nachwuchs zur Welt gebracht. Allerdings hat das Junge nun Durchfall. Mal sehen
wie es diesmal weiter geht.
Schafe sind aber nicht die
einzigen Tiere, um die man sich hier kümmern muss. Unsere Katze kam neulich auf
drei Beinen hereingehinkt. Als wir versucht haben, etwas Salbe auf das
verwundete Bein zu geben, ist sie schnell weggerannt. So mussten wir fast zwei
Wochen zusehen, wie die Katze auf drei Beinen herumgehopst ist. Inzwischen
tritt sie wieder vorsichtig auf. Wir können auch in diesem Fall nur vermuten,
was vorgefallen war.
Ein weiterer Patient ist einer unserer
acht kleinen
Hundewelpen. Sein linkes Hinterbein ist stark entzündet, er
schleppt eine riesige Blase mit sich herum. Wir wissen nicht genau, wie wir ihn
behandeln müssen. Vermutlich werden wir versuchen, die Blase mit einer Spritze
leer zu saugen, um ihm so den Klotz vom Bein zu nehmen. Bisher
wurde seinem Futter ein Antibiotikum, das eigentlich für Menschen
gedacht ist, beigemischt (war nicht meine Idee). Hoffentlich macht es die Situation
nicht noch schlimmer.
Zu guter Letzt muss noch erwähnt
werden, dass die Tierhaltung natürlich nicht wie in Deutschland einfach so zum
Spaß oder als Hobby betrieben wird. Sie ist vielmehr die Grundlage der
Fleischversorgung. Insgesamt gibt es hier wenig Fleisch. Thomas - als
Vegetarier - hat keine Probleme, sich ausreichend mit Nahrung zu
versorgen. Er bekommt jeden Abend ein Extra-Essen gekocht, meistens mit Ei
statt Fleisch.
Unsere Waisenkinder bekommen -
zumindest von uns - nie Fleisch zu essen, nur etwas Fisch wird dem Essen, mehr
als Gewürz, beigemischt. Die Schlachtung der Hühner wird hier üblicherweise
nicht vom Metzger, sondern von jedem, der ein Huhn essen möchte, selbst durchgeführt. Vermutlich muss auch ich nun
bald mein erstes Hühnchen mit dem Messer schlachten. Ich bin gespannt, ob ich das
übers Herz bringe.