Wenn die Schule drei Mal
im Jahr Ferien macht, oder dort sonst aus verschiedenen Gründen nicht viel los
ist, kann ich die Möglichkeit ergreifen und mir das Land ansehen. Gerne wäre
ich natürlich auch mal in das von Nalerigu aus nahe gelegene Ausland nach Togo,
Benin oder Burkina Faso gereist, doch mein Visum lässt derartige Ausflüge
leider nicht zu. So reise ich kreuz und quer durch Ghana, und bestaune die
großen Unterschiede was das Leben, die Landschaft oder die Preise innerhalb dieses
Landes angeht.
Verkehrsmittel Nummer
eins ist der Bus. Fliegen ist unverhältnismäßig viel teurer, selbst fahren
lässt die ghanaische Polizei, die alle paar Kilometer eine Straßensperre
errichtet hat, nicht zu. Busfahren ist in Ghana wegen der günstigen Reisepreise
sehr weit verbreitet, so dass laufend vollbesetzte Fernbusse von den Stationen
abgehen. Die „Station“ (englisch ausgesprochen) ist gleich neben dem Markt und
dem Palast das Zentrum der kleineren Städtchen wie Nalerigu, hier werden die
angelieferten Güter be-, ent- und umgeladen oder teilweise auch gleich
verkauft. In Nalerigu stehen an der Station immer mindestens zehn Kleinbusse
bereit. Die meisten davon sind alte Benz-Busse.
Ein Bus fährt immer
nur dann ab, wenn er voll besetzt ist, ganz
voll besetzt: inklusive Mittelgang (eingebaute Metallsitze), manche auf dem Schoß,
auf dem Dach und Boden. Die Fahrt von Nalerigu - meistens direkt nach Tamale -
macht mir vor allem deshalb keinen Spaß, weil ich nicht gerade der Kleinste bin
und ich meine Beine dann vier Stunden lang oft nur im Millimeterbereich bewegen
kann. Kurz vor der Abfahrt lässt der Fahrer den Motor warmlaufen, schon einige
Male hat dabei die Batterie gestreikt, so dass der Bus angeschoben werden
musste. Einmal kam es auch schon vor, dass die gesamte Busbesatzung zu einem
kleinen Fußmarsch gezwungen wurde, weil weder der erste Gang noch die Batterie
funktionierten, und der Wagen - in diesem Fall ein kleinerer Toyota - aber
angehalten hatte. Der Motor der Maschinen hört sich an wie eine Mischung aus
Traktor und Lastwagen und hat wegen der schweren Ladung selbst an den geringen
Erhebungen der Landschaft Mühe, die kleinen Anhöhen zu bezwingen. Geht es dann aber
wieder bergab, scheuen sich die meisten Fahrer nicht, mit der
schnellstmöglichen Geschwindigkeit loszudüsen. Nur Schade, dass wenige
Kilometer hinter Nalerigu die asphaltierte Straße zu Ende geht, und der Fahrer
durch große Schlaglöcher, die teilweise eher als Gräben oder sogar Bäche zu
bezeichnen sind, zum Langsam-fahren gezwungen wird. Wie an fast jeder ghanaischen
Straße ist alle paar Kilometer am Straßenrand ein verunglücktes, umgestürztes
oder ausgebranntes Fahrzeug zu sehen.
Dennnoch: die
verlockenden Möglichkeiten, die sich durch die Busse auftun, sprechen für sich,
vier Stunden Fahrt kosten gerade einmal drei Euro, und nach zwei Stunden Fahrt
wird dann auch die Straße deutlich besser, so dass man relativ zügig vorwärts
kommt. So habe ich vor kurzem in nur zwei Tagen mit meinem Mitfreiwilligen
Thomas beinahe den südlichsten Punkt Ghanas erreicht. Uns trennte nach der
Besichtigung einer Goldminen-Stadt nur noch ein zwanzig Kilometer langer
Waldweg von unserem Reiseziel. Doch leider neigte sich auch die Sonne am
Himmel, so dass wir uns entschlossen, bis Princes Town ein Taxi zu nehmen. Der
erste Fahrer, den wir fragten, schlug einen Preis vor, der uns sehr teuer vorkam.
Deswegen fragten wir einen anderen, der uns für etwas mehr als die Hälfte zu
unserem Ziel bringen wollte. So ignorierten wir die Warnungen des teureren
Taxifahrers und stiegen in das billigere Taxi. Im Abendrot schienen wir durch
Kokosplantagen auf der Sandstraße immer mehr in den Dschungel zu geraten,
jedenfalls war die Geräuschkulisse der Tiere sehr eindrücklich.
Zu unserem Erstaunen
zeigte der Taxifahrer auf einem am Innenspiegel befestigten kleinen Bildschirm
einen Jungle-Geister-Horrorfilm. Weil die Sonne jetzt komplett hinter dem
Horizont aus Kokospalmen verschwunden war, fürchteten wir ein wenig, ob wir
wohl die Burg, in der sich die einzige Herberge des kleinen Zielortes Princes
Town befand, in der Dunkelheit noch finden könnten. Dann versagte plötzlich
mitten im Dschungel in der Nacht der Motor des Taxis. Wir versuchten, die nun
an den Film im Taxi erinnernde Situation locker zu nehmen, und ich half dem
Fahrer, der kaum Englisch verstand, in der Dunkelheit die Motorhaube zu öffnen:
kein Kühlerwasser mehr! Aus dem Dunkel tauchten einige Kinder auf, die
versuchten, dem noch immer sehr gelassenen Fahrer bei der Reparatur zu helfen.
Und tatsächlich, nach einiger Zeit sprang der Wagen wieder an. Wie das zuging
weiß ich bis heute nicht, jedenfalls lief nach einigen Minuten auch der
Horrorfilm am Innenspiegel des Taxis weiter. Der Fahrer brachte uns sicher nach
Princes Town und erkundigte sich dort nach der Herberge. Die Leute zeigten auf
einen Waldtrampelpfad, von dem ich zuerst nicht gedacht hätte, dass ein Auto
dort fahren könnte. Wir gelangten ... ins Nichts. Ein kleines, verlassenes Haus
im Wald sollte unsere Herberge sein. Es war das falsche Haus - wie wir später
erfuhren, die Ferienanlage von Engländern. Wieder kam ein Mann des Weges, der zwar
kein Englisch verstand, sich mit dem Fahrer aber in der lokalen afrikanischen
Sprache verständigen konnte. Er bewegte den Fahrer zur Umkehr.
Und als wir die Stadt
erreichten, trafen wir zu unserem Glück sofort auf Tourguide Alex, der sogar
ein bisschen Deutsch sprach, uns stracks zur Burg führte und uns gleich ein
wunderschönes Zimmer gab. Am Ende gingen wir nach einer kurzen Verschnaufpause
mit ihm sogar noch im Ort in eine Bar, um dort die zweite Halbzeit des
Championsleague-Spieles Bayern gegen Real anzuschauen. Aber erst als am
nächsten Morgen die Sonne wieder aufging, sahen wir, wo wir gelandet waren.
Schon in der Nacht hatten wir aus unserem Zimmer das laute Rauschen des Meeres
gehört, doch nun eröffnete sich uns ein traumhafter Blick über den Ort, den
Kokoswald und die ganze Küste entlang. Wir saßen plötzlich auf dem einzigen,
von Preußen und Brandenburgern errichteten Fort in Westafrika, duschten uns mit
dem Wasser aus der Zisterne und bestaunten die mit Ausnahme des Eingangs noch
relativ gut erhalten gebliebene Burg. Als der zweite Guide Mathew uns ein
bisschen herumführte, kam doch auch ein leicht mulmiges Gefühl auf, die Burg
wurde auch zum Handel von Sklaven benutzt, der Kerker ist bis heute erhalten.
Die koloniale Vorgeschichte der Burg war mir zuvor nicht präsent gewesen.
Und es sollte mich dort
noch ein weiteres Abenteuer erwarten. Denn eines Nachts zog ein heftiges
Unwetter auf, das ich allein im edlen Zimmer des Offiziers zu spüren bekam.
Keine große Sache, dachte ich mir zuanfangs, hatte dabei allerdings nicht mitbedacht,
dass das Dach nicht wie der Rest der Burg aus meterdicken Mauern bestand,
sondern stattdessen gar einige Löcher hatte. Außerdem peitschte der nun heftige
Seewind das Wasser sogar durch die Fenster, sodass sich im Turm recht schnell
zuerst eine Pfütze, und dann ein kleiner ca. ein Meter breiter Bach bildete.
Zum Glück gab es einen breiten Spalt unter der Türe, so dass das Wasser gut
abfloss. Doch nichts desto trotz musste ich aufstehen und meine Sachen in
Sicherheit bringen. Licht an - geht nicht, Stromausfall - also Taschenlampe.
Einige Eidechsen und Spinnen hatten sich aus dem Regen in den Turm geflüchtet.
Schnell brachte ich mein Gepäck an die noch trocken gebliebenen Stellen im
Turm, konnte aber nicht verhindern, dass mein Laptop etwas Wasser abbekam.
Gleichzeitig machte ich mir Sorgen, weil ein heftiges Gewitter über der auf einer kleinen Anhöhe gebauten Burg
relativ nah zu sein schien, so dass der Blitz in den Turm einzuschlagen drohte.
Also flüchtete ich mich durch den Bach in das zweite erhaltene Gebäude, in dem
früher die Soldaten untergebracht waren, und das deswegen nicht so stark erhöht
war. Vielleicht glaubt ihr, liebe Leser, dass diese Vorsichtsmaßnahme
übertrieben war. Doch ganz im Gegenteil: kurz darauf konnte ich zuschauen, wie
ein Blitz auf der Anhöhe einschlug.
An dieser Stelle
möchte ich mich bei den ghanaischen Mobilfunkanbietern bedanken: nicht nur für
die Möglichkeit, einen Blog zu schreiben, sondern auch dafür, dass sie einen
großen Antennenmast auf jener Anhöhe gebaut hatten. Dort schlug 30 m von mir
entfernt der Blitz ein. Mein Laptop hat am nächsten Tag wieder funktioniert, so
dass ich den traumhaften Ausblick genießend an diesem Bericht schreiben konnte…
Es gäbe noch viele
weitere Urlaubserlebnisse zu beschreiben, besonders auch von der Rückreise.
Macht euch bitte trotzdem keine Sorgen. Ghana kommt uns nur gefährlich vor,
weil es so fremd ist.