Montag, 3. Februar 2014

Markt



Das ghanaische Leben pulsiert nicht im Rhythmus der Woche, es richtet sich vor allem danach, ob es sich um einen Markttag handelt oder nicht. Denn das Zentrum des Lebens in jeder ghanaischen Stadt ist der Markt. Es ist ein großes Fest des freien Handels und gleichzeitig ein Ort der die Menschen zusammenführt.
Markttag in Nalerigu
Das Einkaufen steht dabei zumindest für mich meistens nicht im Vordergrund. Die atemberaubende Kulisse mit den Händlern, Handwerkern und Marktbesuchern, die sich langsam durch die überall zu engen Marktgassen quetschen und sich dabei stets freundlich und elegant mit dem markteigenen Gruß im Mund zulächeln, die Handelsszenen und die Begeisterung der Leute machen den Markt zu einem einzigartigen Schauspiel, das sicherlich ein wichtiger Teil der heutigen ghanaischen Kultur ist.
...ein Fest der Begegnungen
Alle drei Tage abwechselnd mit den Nachbarorten Gambaga und Sakogu findet in Nalerigu ein Markt statt. Alle Händler der Region, Bauern der umliegenden Dörfer, die Fischerfrauen vom Weißen Volta, Brennholzsammler, Schuster und viele viele mehr treffen sich auf einem mit einfachsten Holzunterständen ausgestatteten Platz, um den sich die Ortschaft fast kreisförmig ausdehnt. Gehandelt wird alles, was man hier zum Leben braucht: vom Nagel,  einem Kohlebügeleisen oder Buch, über Stoffe und Kleidung, und natürlich - ganz wichtig -  Nahrungsmittel reicht das Angebot, bis hin zu Motorradersatzteilen, Handy-Akkus und Leopardenfellen. Wann immer man etwas Ausgefallenes und nicht ganz Alltägliches braucht, muss man auf den nächsten Markttag warten.
Neben dem Markt besteht noch die Möglichkeit in einem der vielen kleinen Läden einzukaufen. Sehr viele Leute haben sich selbständig gemacht. Das Angebot in den Läden ist aber trotzdem nicht besonders vielfältig, fast überall wird das gleiche verkauft. Der Markt ist deshalb sehr wichtig für die Leute und fällt auch dann nicht aus, wenn er wie dieses Jahr auf den Weihnachtstag, also den 25. Dezember fällt. Lieber werden andere im Vergleich zum Markt unwichtig erscheinende Dinge wie Meetings aller Art (oder auch das Fußballtraining) auf die Tage gelegt, an denen kein Markt stattfindet. Dann ist oft fast der ganze Marktplatz wie ausgestorben. Und die trockenen grauen eingegrabenen Baumstämme, die das Gerüst für die mit Stroh oder Wellblech gedeckten Marktstände bilden, ragen in eine fast unheimliche Stille.
in Kumasi: die halbe Stadt ist der Markt
Niemals still ist es auf einem Markt in einer der Großstädte: in Tamale ist selbstverständlich jeder Tag Markttag. Ungeheuer groß, schweißtreibend und absolut nicht zu bewältigen, geschweige denn zu überblicken, ist der Markt in Kumasi. Seine ganzen unvorstellbaren Dimensionen konnte ich nicht wirklich erfassen, als ich mich kürzlich gemeinsam mit meinem Vater im angeblich größten Markt Afrikas für mehrere Stunden verirrt habe. Hier hat das Angebot überhaupt keine Grenzen mehr. Weil der Markt weit weit über den in unserer  Karte eingezeichneten Innenstadtbereich Kumasis hinausreichte, mussten wir uns schließlich von netten einheimischen Händlern befreien
Händler, so weit das Auge reicht   (Kumasi)
lassen, die uns unseren Weg zeigten. Es scheint mir nach unseren beinahe zwei Tagen in dieser Millionenmetropole, als sei die gesamte Innenstadt von Kumasi ein einziger Markt, überall, auf jedem freien Fleckchen Erde wird einfach immer Handel betrieben.
Das Geheimnis der Märkte ist wahrscheinlich das hiesige Steuersystem. Die Händler müssen nur eine ganz winzige Abgabe für ihren Marktstand bezahlen. Diese Handelsfreiheit, und dazu eine große, kontinuierlich fortschreitende Inflation sind wahrscheinlich der Grund für das Handeln an jeder Ecke. Diese Freiheit sorgt auf der einen Seite für massive Infrastruktur-Probleme: Hunger, Armut, Elend und mangels Steuereinnahmen Ohnmacht von Seiten des Staates; auf der anderen Seite aber auch alle drei Tage ein herrliches und für mich für immer unvergessliches Fest, einen ghanaischen Markt.