Das
ghanaische Leben pulsiert nicht im Rhythmus der Woche, es richtet sich vor
allem danach, ob es sich um einen Markttag handelt oder nicht. Denn das Zentrum
des Lebens in jeder ghanaischen Stadt ist der Markt. Es ist ein großes Fest des
freien Handels und gleichzeitig ein Ort der die Menschen zusammenführt.
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Markttag in Nalerigu |
Das
Einkaufen steht dabei zumindest für mich meistens nicht im Vordergrund. Die
atemberaubende Kulisse mit den Händlern, Handwerkern und Marktbesuchern, die
sich langsam durch die überall zu engen Marktgassen quetschen und sich dabei
stets freundlich und elegant mit dem markteigenen Gruß im Mund zulächeln, die
Handelsszenen und die Begeisterung der Leute machen den Markt zu einem einzigartigen
Schauspiel, das sicherlich ein wichtiger Teil der heutigen ghanaischen Kultur
ist.
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...ein Fest der Begegnungen |
Alle
drei Tage abwechselnd mit den Nachbarorten Gambaga und Sakogu findet in
Nalerigu ein Markt statt. Alle Händler der Region, Bauern der umliegenden
Dörfer, die Fischerfrauen vom Weißen Volta, Brennholzsammler, Schuster und
viele viele mehr treffen sich auf einem mit einfachsten Holzunterständen
ausgestatteten Platz, um den sich die Ortschaft fast kreisförmig ausdehnt.
Gehandelt wird alles, was man hier zum Leben braucht: vom Nagel, einem Kohlebügeleisen oder Buch, über Stoffe
und Kleidung, und natürlich - ganz wichtig -
Nahrungsmittel reicht das Angebot, bis hin zu Motorradersatzteilen, Handy-Akkus
und Leopardenfellen. Wann immer man etwas Ausgefallenes und nicht ganz Alltägliches
braucht, muss man auf den nächsten Markttag warten.
Neben
dem Markt besteht noch die Möglichkeit in einem der vielen kleinen Läden
einzukaufen. Sehr viele Leute haben sich selbständig gemacht. Das Angebot in
den Läden ist aber trotzdem nicht besonders vielfältig, fast überall wird das
gleiche verkauft. Der Markt ist deshalb sehr wichtig für die Leute und fällt
auch dann nicht aus, wenn er wie dieses Jahr auf den Weihnachtstag, also den
25. Dezember fällt. Lieber werden andere im Vergleich zum Markt unwichtig
erscheinende Dinge wie Meetings aller Art (oder auch das Fußballtraining) auf
die Tage gelegt, an denen kein Markt stattfindet. Dann ist oft fast der ganze
Marktplatz wie ausgestorben. Und die trockenen grauen eingegrabenen Baumstämme,
die das Gerüst für die mit Stroh oder Wellblech gedeckten Marktstände bilden,
ragen in eine fast unheimliche Stille.
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in Kumasi: die halbe Stadt ist der Markt |
Niemals
still ist es auf einem Markt in einer der Großstädte: in Tamale ist
selbstverständlich jeder Tag Markttag. Ungeheuer groß, schweißtreibend und
absolut nicht zu bewältigen, geschweige denn zu überblicken, ist der Markt in
Kumasi. Seine ganzen unvorstellbaren Dimensionen konnte ich nicht wirklich erfassen,
als ich mich kürzlich gemeinsam mit meinem Vater im angeblich größten Markt
Afrikas für mehrere Stunden verirrt habe. Hier hat das Angebot überhaupt keine
Grenzen mehr. Weil der Markt weit weit über den in unserer Karte eingezeichneten Innenstadtbereich
Kumasis hinausreichte, mussten wir uns schließlich von netten einheimischen
Händlern befreien
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Händler, so weit das Auge reicht (Kumasi) |
lassen, die uns unseren Weg zeigten. Es scheint mir nach unseren
beinahe zwei Tagen in dieser Millionenmetropole, als sei die gesamte Innenstadt
von Kumasi ein einziger Markt, überall, auf jedem freien Fleckchen Erde wird
einfach immer Handel betrieben.
Das
Geheimnis der Märkte ist wahrscheinlich das hiesige Steuersystem. Die Händler müssen
nur eine ganz winzige Abgabe für ihren Marktstand bezahlen. Diese
Handelsfreiheit, und dazu eine große, kontinuierlich fortschreitende Inflation
sind wahrscheinlich der Grund für das Handeln an jeder Ecke. Diese Freiheit
sorgt auf der einen Seite für massive Infrastruktur-Probleme: Hunger, Armut,
Elend und mangels Steuereinnahmen Ohnmacht von Seiten des Staates; auf der
anderen Seite aber auch alle drei Tage ein herrliches und für mich für immer
unvergessliches Fest, einen ghanaischen Markt.